Die schönste Blume. Märchen
Wie kommt es nur, dass wir, wenn wir einen Frosch sehen, sofort an das Märchen vom Froschköniog denken? Gleichzeitig kommt die Idee auf, dass der Frosch geküsst werden sollte und er sich alsdann verwandelt in einen schönen Prinzen.
Es ist eine märchenhafte Vorstellung, die zeigt, wie sehr sich der Mensch nach wahrer Liebe sehnt und er sich auch vorstellen kann, dass Verwandlungen möglich sind.
Im folgenden Märchen geht es auch um einen Frosch. Doch wie es kommt, dass er sich in menschliche Gestalt verwandelt, ist ganz anders und wunderschön:
Es waren einmal ein Mann und eine Frau, die waren schon alt und hatten kein Kind. Sie beteten immer zu Gott, er möge ihnen doch ein Kind schenken. Schließlich gingen sie auf eine Wallfahrt und wieder baten sie um ein Kind, selbst wenn es ein Frosch sei.
Sie kehrten nach Hause zurück, und nach neun Monaten wurde ihnen ein Kind geboren – aber was für eins? Ein Frosch! Aber sie waren zufriedener damit, als wenn sie gar keins gehabt hätten.
Der Frosch hielt sich immer im Weinberg auf und kam nur selten nach Hause. Der Vater arbeitete im Weinberg, und seine Frau brachte ihm jeden Tag sein Mittagessen dorthin. Aber da sie schon alt war, fing sie eines Tages an zu klagen: „Ach, meine Füße wolle nicht mehr! Ich kann dir das Essen nicht mehr bringen!“
Da kam das Froschmädchen von draußen herein – es war nun schon vierzehn Jahre alt – und sagte:
„Liebste Mutter, ich sehe wohl, ihr könnt dem Vater das Essen nicht mehr bringen. Gebt es mir, ich gehe damit.“
„Ach, meine liebe Tochter, das wird dir schwer ankommen. Wie könntest du das Essen bringen? Du hast ja keine Hände, den Topf zu tragen!“
„Ich kann ihn tragen“, antwortete der Frosch. „Setz mir nur den Topf auf den Rücken und binde ihn mir an den Beinen fest. Und dann sei unbesorgt!“ „Nun, so versuche, ob du es kannst. „
Und die Mutter tat, wie es ihr die Tochter gesagt hatte. Das Froschmädchen trug ihre Last den staubigen Weg entlang. Als sie aber an das Gitter des Weinbergs kam, wo der Vater arbeitete, konnte sie es nicht öffnen und auch nicht hinübersteigen. Da rief das Froschmädchen seinen Vater, der kam, nahm ihr den Topf ab und aß.
Da sagte das Froschmädchen: „Vater, setz mich doch auf den Kirschbaum!“ Der Vater hob sie auf den Baum, und der Frosch fing an zu singen, so schön – nein, so schön -, dass man meinen könnte, die Elfen sängen dort.
Da kam ein Königssohn vorüber, der war auf die Jagd geritten. Er lauschte lange dem Gesang, und als nichts mehr zu hören war, ging er zu dem Alten und fragte: „Alter, wer singt so schön?“
Der Alte antwortete: „Ich weiß es nicht. Ich habe nichts gesehen und gehört. Nur die Krähen flogen vorüber.“
„Aber sagt mir doch, wer es ist! Wenn es ein Mann ist, soll er mein Kamerad sein. Ist es ein Mädchen, so soll es mein Liebchen werden.“ Doch der Alte schämte und scheute sich und wollte nichts sagen.
Am anderen Tage brachte das Froschmädchen wieder dem Vater das Mittagessen. Er setzte es auch wieder auf den Kirschbaum, und der Frosch fing wieder an zu singen, dass das ganze Tal widerhallte.
Der Königssohn war auch wieder auf die Jagd geritten, vor allem aber war er gekommen, um zu hören, wer da sang. Wie nun der Königssohn den Gesang hörte, lauschte er, und als das Froschmädchen aufgehört hatte zu singen, ging er wiederum zu dem Alten und fragte: „Sagt mir doch, wer da singt!“
Der Alte antwortete: „Ich weiß es nicht. Ich habe nichts gesehen noch gehört. Die Krähen flogen vorüber.“
„Aber der Gesang ergreift mir das Herz! Ihr wisst es sicherlich, Alter, wer da singt. Wenn es ein Mann ist, soll er mein Kamerad sein. Ist es ein Mädchen, so soll es mein Liebchen werden!“
Da antwortete der Alte: „Ich möchte es wohl sagen, aber ich schäme mich – und Euch wird es auch verdrießen.“
„Habt nur keine Angst, erzählt es mir“, bat der Königssohn. Da erzählte der Alte ihm: „Der da singt, ist ein Frosch! Und es ist meine Tochter!“
„Nun, so sag ihr, dass sie herabkommen soll.“ Da kam das Froschmädchen herab und hub noch einmal zu singen an.
Dem Königssohn hüpfte das Herz vor Vergnügen und er bat:
„So sei du mein Liebchen! Morgen kommen die Bräute meiner Brüder in den Palast. Und demjenigen, dessen Braut die schönste Rose mitbringt, will der König sein ganzes Reich geben. Geh du als mein Liebchen dorthin und bringe dem König eine Rose, wie du sie ausgesucht hast!“
Das Froschmädchen antwortete: „Ich werde kommen, wie du es wünscht. Du musst mir aber vom Hofe den weißen Hahn schicken, auf dem will ich reiten.“
Da ritt der Königssohn zurück und schickte vom Hofe den weißen Hahn. Das Mädchen aber ging zur Sonne und bat um Sonnenkleider.
Am nächsten Morgen bestieg das Froschmädchen den weißen Hahn und nahm die Sonnenkleider mit. So ritt sie zur Königsstadt. Als aber ein Frosch auf einem Hahn an die Stadtwache kam, wollte diese sie nicht hereinlassen. Das Froschmädchen aber sagte, es wolle sich beim Königssohn beklagen! Da öffnete man das Tor.
Sowie sie die Stadt betreten hatten, verwandelte sich der Hahn in eine weiße Elfe. Aus dem Frosch aber wurde das schönste Mädchen von der Welt. Es zog seine Sonnenkleider an und trug in der Hand als Blüte eine Weizenähre. So schritt es zum Königspalast.
Da kam der König zu der Braut seines ältesten Sohnes. Sie zeigte ihm eine wunderschöne Rose. Darauf ging er zu der Braut des anderen Sohnes, sie zeigte ihm eine Nelke. Dann wandte er sich zu der Braut des jüngsten Sohnes, sah die Weizenähre und sagte:
“ Du hast uns die schönste und zugleich die nützlichste Rose gebracht. Ich sehe, du weißt, dass man ohne Weizen nicht leben kann – und dass du zu wirtschaften verstehst. Was sollen uns andere Rosen und Gepränge? Werde du die Frau meines jüngsten Sohnes, dessen Liebchen du warst. Ihm will ich mein Königreich hinterlassen.“
Und so wurde das Froschmädchen eine Königin.
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